Kunstzeitung 172 / Dezember 2010

Welche Künstler die Kunstzeitung Redakteure entdeckt haben.

Marion Leske über Amely Spötzl

Manchmal schaut man einfach zu weit über den Tellerrand. Vor allem Messen und Museen und Akademierundgänge sind ja die Orte für Entdeckungen.

Amely Spötzl habe ich sozusagen vor der Haustür entdeckt: in einer Bonner Galerie.

Parallel dazu hatte sie eine Museumsausstellung in Siegburg.

Ich war sofort begeistert von den leisen, sensiblen Arbeiten, die alle das Thema Pflanze umkreisen, und besuchte die ehemalige Alanus -Schülerin in ihrem Bonner Atelier.

"Seit ich laufen kann, beschäftigt mich dieses Motiv", gesteht die gebürtige Baden-Württembergerin.

Inzwischen schöpft sie aus einem riesigen Samen- und Blütenarchiv und bearbeitet ihr Sujet in immer neuen Varianten und in alles Medien.


Da sind zum Beispiel die zarten Pusteblumen in transparenten Kugeln, die sich zu einer "Wolke" formieren. Dornen verpackt die 35-Jährige wie Reliquien in Cellophantütchen und offeriert sie in einem "Dornenspender", weiche Weidenkätzchen verwandelt sie in eine surreale Schlafbrille. In kleinen und großformatigen Zeichnungen experimentiert Spötzl mit der Umrisslinie eines Ahorn-, Feigen-, Platanenblattes.

Monatelang verschiebt sie esauf gedachten Bahnen, bis sich das Ergebnis von der ursprünglichen Blattform löst und zu einem dynamisierten symmetrischen Muster wird.

"Hinter jedem Blatt verbirgt sich ein riesiger Formenschatz", schwärmt Spötzl.

In kleinen Wandinstallationskästchen wiederrum macht sie die Linie räumlich erfahrbar.

Sakrale Anmutung entfalten die ovalen Embleme aus Gold- und Silberfäden fein gestickt; die Samenkammern der Löwenmäulchen darin, wie Intarsien eingelegt, schauen aus wie Totenköpfchen. Ein Memento mori wie ein Gedicht hochkonzentriert, meditativ, kostbar.

Und von außergewöhnlicher, natürlicher Schönheit.

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